Corona hat alles kompliziert gemacht, auch den Karriere-Start: Für Schulabgänger ist es kniffliger geworden, sich ein Bild über Berufe, Unternehmen oder Hochschulen zu machen. Es gibt ja weniger Präsenz-Veranstaltungen wie Schnuppertage, Praktika oder Jobmessen. Aufgeben gilt aber nicht, betonen Experten– von den Berufsberatern der Arbeitsagentur über die Studienberater vieler Hochschulen bis zu Karrieretrainern. Dranbleiben lautet die Devise. Denn wenn erst mal die Abi- Klausuren anstehen, bleibe wenig Zeit für irgendetwas anderes. Und: Wer zu lange mit der Selbstfindung wartet, verbaut sich eventuell Chancen. „Bewerbungen für Ausbildungsplätze laufen zum Beispiel mindestens ein Jahr früher an“, sagt Ulrike Bentlage, Karriereberaterin und Buchautorin („Schulabschluss geschafft! Und jetzt?“). „Es wäre doch ärgerlich, wenn man etwas Alternatives machen müsste, nur weil man einen Termin verpasst hat.“
Wertvoller Input durch Gespräche
Grundsätzlich sind bei der Berufsorientierung drei Schritte wichtig. Erstens: Ich werde mir über mich selbst klar, kenne also meine Stärken und Schwächen, meine Vorlieben und Abneigungen. Zweitens: Ich leite daraus eine berufliche Idee ab. Drittens:
Ich suche mir passende Ausbildungen oder Studiengänge, die mich auf dem Weg zum Berufsziel voranbringen. Für Punkt 1 – die Selbstreflexion – hilft vor allem bewusstes Nachdenken über sich selbst. Auch Onlinetests können ein guter Ausgangspunkt fürs Ego-Brainstorming sein, meint Bentlage (für mehr zu sinnvollen Tests siehe Kasten). Sie liefern einem eine erste Idee, worin man gut ist, was Spaß macht und was einem vielleicht nicht so liegt – sofern man das nicht schon selbst von sich sagen kann. Allerdings warnt die Karriereberaterin davor, die Entscheidung für oder gegen einen Beruf komplett an solch ein Testergebnis zu knüpfen. Vielmehr sollten Gespräche mit Freunden, Familie, Lehrern, Trainern – schlicht mit allen, die einen gut kennen – ebenfalls wertvollen Input zur Selbsterkenntnis und Berufswahl beisteuern. „Und solches Feedback lässt sich auch wunderbar per Telefon, Zoom oder Skype einholen, wenn Corona keine persönlichen Treffen zulässt“, sagt Bentlage.
Ein Feedback von Lehrern, Freunden und Familie lässt sich auch wunderbar per Telefon, Zoom oder Skype einholen, wenn Corona keine persönlichen Treffen zulässt.
Remote-Recherche rockt
Wer eine grobe Vorstellung von seinem eigenen Persönlichkeitsprofil hat, muss herausfinden, welche Berufe dazu passen könnten. Praktika, Ferienjobs, Job-Shadowing (man begleitet eine Person durch den Arbeitstag) & Co sind wegen der Pandemie zurzeit kaum möglich. Was aber – mal abgesehen von all den Berufsinformationen im Netz – in jedem Fall drin ist: Gespräche führen, die Schwarmintelligenz nutzen. Über 23 Ecken kennt immer jemand einen, der den Wunschberuf schon ausübt. Sogar, wenn es um Spezialfälle wie Astrophysik oder Meeresbiologie geht. Die betreffenden Personen berichten dem interessierten Nach wuchs meist gern von ihrem Joballtag, welche Qualifikationen nötig sind, welches Unternehmen einen guten Ruf als Arbeitgeber hat, wie viel sich verdienen lässt. Und wenn sich im eigenen Umfeld partout kein passender Kontakt findet, lässt sich in Netzwerken wie Xing, LinkedIn oder auch Facebook weitersuchen. Im letzten Schritt der Berufsorientierung geht es darum, sich auf den Weg zum Traumberuf zu machen und zu klären, welches Unternehmen eine gute Ausbildung dafür bietet oder welcher Studiengang und welche Hochschule sich eignen, wenn das Berufsziel nur über eine akademische Ausbildung erreicht werden kann. Eine praktische Infoquelle für Schüler waren da bislang die Karrieremessen. Als Live Event sind die zurzeit zwar ausgesetzt (wobei für den Frühsommer schon wieder vorsorglich die ersten Termine geplant sind), aber die meisten Veranstalter sind erfolgreich ins Netz umgezogen: Unter Stuzubi.de, Abizukunft.de oder einstieg.com finden virtuelle Berufsorientierungsmessen statt, auf denen sich Hochschulen und Unternehmen mit ihren Angeboten für angehende Abiturienten vorstellen. Man kann an Live-Vorträgen zur Studien und Berufswahl teilnehmen, Videofilme sehen oder auch direkt mit Menschen aus Unternehmen oder von Hochschulen per Videochat sprechen.
Entdecke dich selbst
Welchen konkreten Nutzen solch ein Online-Informationsangebot hat, hat jeder selbst in der Hand, unterstreicht Ulrike Bentlage. „Du kannst einfach reinhören und dich davon berieseln lassen, was die alle erzählen und zu bieten haben. Du kannst das Gespräch aber auch damit eröffnen, was dich als Person ausmacht und was du gerne machst. Dein Gegenüber hat dann die Chance, daran anzuknüpfen, und das Gespräch entwickelt eine andere Qualität. Und trägt dazu bei, dass du im Idealfall jemanden entdeckst: dich selbst.“