Gelungener Start

Gelungener Start

Bei einem neuen Job sind die ersten 100 Tage entscheidend. Hier sind einige Tipps und Tricks für die erfolgreiche Einarbeitung – auch in Homeoffice-Zeiten.

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So viele neue Gesichter, Namen und Projekte!“ In ihren ersten Arbeitstagen bei der EOS-Gruppe in Hamburg schwirrte ihr manchmal der Kopf, erzählt Shiva Parvarsi und lacht. Die Informatikerin trat ihre zweite feste Stelle als „Junior Data Engineer“ bei dem internationalen Inkasso-Unternehmen an. Im Dezember, mitten in einem harten Lockdown. Ihren Chef sowie die beiden Team-Kollegen traf die 30-Jährige in den ersten beiden Monaten nicht im Co-Working-Space in der Hamburger City. Sondern via Teams in ihrem Apartment in HamburgWinterhude. Abteilungskollegen lernte die gebürtige Iranerin zunächst nur online kennen, in bis zu fünf Videokonferenzen täglich.

 

„Hilfreich war eine lange E-Mail von der Personalabteilung: mit Infos zum Intranet oder Dresscode.“ - ITlerin Shiva Parvasi, 30, startete beim Inkasso-Unternehmen EOS in Hamburg mitten in einem harten Lockdown.

 

„Ein Glück“, sagt Parvasi, „dass bei EOS dokumentiert wird, wer auf welchem Projekt arbeitet.“ So konnte sie sich im Homeoffice alles in Ruhe einprägen. Ebenfalls hilfreich für den Einstieg: eine „lange E-Mail von der Personalabteilung“, mit Infos zum Intranet oder Dresscode. Große wie kleine Dinge nicht wissen, unsicher sein: Das ist bei einem Jobwechsel normal. „Wer eine neue Stelle antritt, verlässt seine Komfortzone“, hält Tamara Richter, Leiterin Recruiting bei HDI in Hannover, Neulingen zugute. Auch seien sie aus guten Gründen da. „Sie haben das Rennen gemacht“, sagt Christine Kentzler, Karriereberaterin bei Kienbaum in München. Und doch: „Patzer in der Einstiegsphase sind nachträglich nur schwer zu heilen“, betont Kentzler. Keiner könne sich daher auf der erfolgreichen Bewerbung ausruhen.

Haben Unternehmen und Bewerber aufgrund ehrlicher Versprechen „ja“ zueinander gesagt, folgt ab Tag eins der Praxistest. Ein Kardinalfehler von Berufseinsteigern: zwischen Vertragsunterzeichnung und erstem Arbeitstag ein „Vakuum“ entstehen zu lassen. Experten empfehlen, sich weiter über den neuen Arbeitgeber zu informieren, Branchennachrichten zu verfolgen, auf Linkedin die Profile künftiger Kollegen zu studieren.

 

Zügig ins Gespräch kommen

Sich von Anfang an profilieren, heißt die Devise. Grundlage dafür: die eigene Kurzvorstellung trainieren. Um dann prägnant erklären zu können, „was man für die neue Stelle mitbringt“, sagt Barbara Bilyk aus Freiburg, die als Coach bei Berufseinstieg und Jobwechsel berät. Außerdem empfiehlt Bilyk, eine „Stakeholder-Matrix“ mit den verschiedenen Interessengruppen anzufertigen, die regelmäßig nachjustiert wird: „Welche Erwartungen haben Vorgesetzte, Kollegen oder Kunden an mich?“

Shiva Parvasi hatte bereits Übung aus ihren virtuellen Vorstellungsgesprächen bei EOS: Dem Abteilungsleiter, Teamchef und Kollegen berichtete die IT-Spezialistin von Erfahrungen, die sie bei ihrem ersten Arbeitgeber Vodafone mit dem Bündeln und Auswerten von Kundendaten gemacht hatte. „Schnell zog man mich dann auch aus einem angrenzenden Team zu Rate“, erzählt Parvasi.

Neben der Einarbeitung in Technik und Organisation heißt es, zügig ins Gespräch zu kommen: Netzwerken und noch mal Netzwerken, im Team, in Nachbarabteilungen, mit anderen Neuen. Etliche Jobstarter mussten Corona-bedingt Beziehungen aus dem Homeoffice knüpfen. „Die Qualität ist nicht dieselbe wie in Präsenz“, sagt Eberhard Hübbe, Personalberater bei Kienbaum in Düsseldorf. Daher bewähre es sich, „Intensität und Frequenz hochzufahren. Alles, was den persönlichen Austausch fördert, ist gut.“

 

Neue müssen Initiative zeigen

 

„Im Großraum wäre es einfacher gewesen, Fragen zu stellen. Anfangs musste ich mich überwinden, dafür zum Telefon zu greifen.“ - Versicherungsmathematiker Sascha Kissel, 33, wechselte nach seinem ersten Job als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Ruhr-Uni Bochum zur HDI in Hilden.

 

Sascha Kissel, 33, hatte Glück. Die ersten beiden Wochen konnte der Versicherungsmathematiker im Frühjahr vergangenen Jahres bei HDI im Hildener Büro starten, seinen Chef und die 15 Teamkollegen dort nach und nach treffen. In der folgenden Homeoffice-Phase kam das Team täglich zu virtuellen Kaffeerunden zusammen oder auch zum Spaziergang an der frischen Luft. Kissel hatte eine Patin zur Seite, mit seinem Chef telefonierte er regelmäßig. Doch auch wenn Arbeitgeber viel Mühe in die Integration neuer Mitarbeiter stecken: Die Neuen müssen Initiative zeigen – besonders im Homeoffice. „Im Großraum wäre es einfacher gewesen, Fragen zu stellen“, erzählt Kissel. Anfangs hätte er sich überwinden müssen, dafür zum Telefon zu greifen.

„Wer fragt und zuhört, zeigt Interesse“, ermutigt Personalmanagerin Richter. Zumal Neue einen frischen Blick mitbrächten, von dem alle profitieren. Vorschläge machen, Dinge hinterfragen: Das kommt gut an – aber die Dosierung muss stimmen. „Aktiv genug, aber nicht zu schnell auf Gas sein“, empfiehlt Personalexperte Hübbe. Im ebenso fließenden Übergang sollten neue Kollegen aus der Beobachterrolle treten und eigene Projekte übernehmen, passend zum persönlichen Reifegrad. Coach Bilyk spricht von „early wins“, von Aufgaben, bei denen man früh mit fachlichen Stärken punkten kann.

Von Anfang an Feedback von Vorgesetzten einholen gehört dazu. „Bitte nicht 100 Tage damit warten“, warnt Organisationspsychologin Kentzler. Wenn es über Neue heiße: „Bringt sich nicht ein, trägt nichts bei“, dann sei es zu spät.

Versicherungsmathematiker Kissel erhielt bereits vorzeitig eine Gratulation zur bestandenen Probezeit. „Eine schöne Bestätigung“, sagt er. ITlerin Shiva Parvasi freute sich über jedes „Perfekt“ als Rückmeldung. Was sie sich nur noch wünscht: „Mit den netten Kollegen ins Fitnessstudio gehen statt zur Entspannung alleine Yoga machen.“