Pumps, knalliger Lippenstift und ausgefallene
Klamotten – wer Britta Zur auf der Straße begegnet, käme wohl nicht drauf, was sie beruflich
macht: Die 40-Jährige ist Deutschlands jüngste
Polizeichefin. In Gelsenkirchen steht sie seit 2020
an der Spitze von rund 1600 Mitarbeitern. „Keine
Frage“, sagt die Behördenchefin selbst augenzwinkernd
mit Blick auf ihren schwarzen Boxsack
an der Bürodecke, „eine Frau wie mich gab es
hier noch nicht“.
Keine Zeit zum Ankommen
Gleichwohl führt die Juristin einen kleinen Trend
an: Laut Statistischem Bundesamt stieg der Frauenanteil
bei der deutschen Polizei in den vergangenen
20 Jahren von 20 auf 29,3 Prozent. Im
vergangenen Jahr waren insgesamt 97.700 von
333.600 Beschäftigten weiblich. Die meisten
Polizistinnen arbeiten in Niedersachsen, Hamburg
und Rheinland-Pfalz. Am seltensten sind
Ordnungshüterinnen im Saarland.
„Viel Zeit zum Ankommen hatte ich
nicht“, erzählt Zur von ihrem Start auf der Spitzenposition.
Von Tag eins musste sich die neue Polizeichefin
im Präsidium als Herrin der Lage präsentieren:
Kaum im Amt, ereignete sich auf den Straßen
Gelsenkirchens ein tödlicher Zwischenfall, als
ein junger Polizist in Notwehr seine Dienstwaffe
abfeuerte.
Wenig später musste Zur einen erfahrenen
Kollegen wegen des Verdachts auf Volksverhetzung
suspendieren. Dann verlor sie einen Beamten
des Sondereinsatzkommandos bei einer
Drogenrazzia. Zur: „Parallel dazu stellte Corona fast
alles auf den Kopf. Das Schiff Polizei durch die
Nebelwand der Pandemie zu leiten, ist bis heute
nicht immer einfach.“
Erstes Praktikum in Krefeld
Zu den Gesetzeshütern zog es die erfolgreiche
Juristin schon früh. Mit Anfang 20 machte die Jura-
Studentin auf der Wache Süd des Polizeipräsidiums
in Krefeld ihr erstes Praktikum. „Als meine
Kommilitonen feiern waren, bin ich lieber mit Streife
gefahren“, sagt sie rückblickend. Trotzdem kam
das Angebot, die Gelsenkirchener Polizeibehörde
zu leiten, für die gebürtige Kölnerin überraschend.
Als sie 2019 dazu einen Anruf von NRW-Innenminister
Herbert Reul bekam, stand sie gerade auf
dem Düsseldorfer Weihnachtsmarkt. Aufgefallen
sei sie dem Minister bei einer Podiumsdiskussion.
Denn Britta Zur war damals noch Staatsanwältin
für Kapitaldelikte in Düsseldorf und leitete ein Sonderdezernat,
für das sie leidenschaftlich in der
Öffentlichkeit trommelte. „Es ging darum, Straftaten
gegen Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes
zu verfolgen – egal, ob die Opfer nun Lehrer, Rettungssanitäter
oder Polizisten sind“, sagt sie.
Ob angehender Verkehrspolizist oder
Kriminalkommissarin in spe, „unabhängig vom
Geschlecht brauchen wir smarte Menschen, denen
unsere Verfassung und unsere freiheitlich-
demokratischen Werte wichtig sind und die dafür
einstehen“, sagt Zur über diejenigen, die sie
sich zur Verstärkung wünscht.
Gerade für Frauen sei die Polizei dann
ein guter Arbeitgeber, weil sie Chancengleichheit
bietet. Zumal es zahlreiche Möglichkeiten gebe,
in der Behörde Karriere zu machen – auch wenn
die Leitungsebene nach wie vor von Männern dominiert
werde. Zur: „Nur knapp 20 Prozent der
Führungsfunktionen werden aktuell von Frauen besetzt.“
Davon, zum Ausgleich nur noch Frauen
auf Führungspositionen zu befördern, hält die Polizeichefin
jedoch nichts. „Ich versuche insgesamt
eine bessere Basis für alle diejenigen zu bereiten,
die in Zukunft Verantwortung tragen wollen“,
erklärt sie.
Die engagierte Staatsdienerin sieht sich
dazu aber nicht nur bei ihrer eigenen Behörde in
der Pflicht, sondern erkennt auch ihre Vorbildfunktion
in der Gesellschaft:
„Ich wünsche mir, dass
meine Karriere unabhängig davon wahrgenommen
werden kann, welches Geschlecht ich habe oder
welche Klamotten ich trage.“